Viertelhaus in Biel (CH)

2023-02-05 17:19:32 By : Ms. Alice li

Keine Doppelhaus-Hälften, sondern Vierfachhaus-Viertel: Früher wusste man noch, wie sich Wohnen im Grünen ohne allzu großen Landverbrauch planen lässt. Ein Exemplar dieses in Vergessenheit geratenen Typus‘ ist nun behutsam erweitert worden.

Solange das Einfamilienhaus die beliebteste Wohnform ist, wird die Diskussion um seine schädlichen Umweltwirkungen nicht abreißen. In diesem Zusammenhang lohnt sich die Rückbesinnung auf einen Gebäudetyp, der schon Mitte des 19. Jahrhunderts für Arbeitersiedlungen entwickelt wurde: Das »carré mulhousien« bringt Gegensätzliches zusammen – einerseits individuelles Wohnen mit eigenem Garten, andererseits eine kompakte Bauweise mit günstigem A/V-Verhältnis und moderatem Bodenverbrauch. Auf quadratischem Gebäudegrundriss trennen zwei sich kreuzende Brandwände vier Hausteile voneinander, die sich jeweils übereck öffnen – ein Kreuzreihenhaus gewissermaßen.

In Biel finden sich noch einige Exemplare dieses Typus’, errichtet um das Jahr 1885, damals als Geschosswohnungsbau, doch seit langem zu Einfamilienhäusern umgewandelt. Mit 42 m² Grundfläche eher bescheiden, waren sie über die Jahre immer wieder in den Garten hinein erweitert worden. Die Architekten Mareike Seyfang und Andreas Frank erstanden nun den südöstlichen Quadranten eines solchen Hauses und haben ihn für ihre Familie umgebaut. An der Ostseite fügten sie einen eingeschossigen Körper an, der leicht zurückspringt, um dem Bestand nicht die Show zu stehlen. Sein Dach dient als Terrasse und bereichert so die knappe Aufenthaltsfläche im Freien um einen erhöhten Sitzplatz. Weil das neue Volumen zum nördlichen angrenzenden Quadranten und dessen seitlicher Erweiterung etwas Abstand hält, entsteht ein geschützter kleiner Patio, der die angrenzenden Räume belichtet. Wie die Garagen und Schuppen der Nachbarhäuser zeigt der Anbau eine unprätentiöse Materialisierung: Wände aus Kalksandstein und ein Geländer aus Maschendraht vermitteln die gleiche Einfachheit.

Alt und Neu ergänzen sich komplementär: Während das Viertelhaus kammerartige Zimmer mit geringer Fläche aufweist, bietet der Erweiterungsbau eine großzügige Wohnküche von 25 m²; während die vorhandenen Räume mit ihren kleinen Fenstern Geborgenheit vermitteln, öffnet sich die Wohnküche mit einer vollverglasten Fassade nach außen; während das alte EG über fünf Treppenstufen vom Garten getrennt ist, gewährt der Anbau nahezu ebenerdigen Zugang nach draußen; und während im Bestand traditionelle Materialien wie Fischgrät-Parkett, Terrazzo und Putz ein vertrautes Bild erzeugen, kommen im neuen Volumen mit viel Beton, Sichtmauerwerk und Glas Freunde der Moderne auf ihre Kosten – ohne dass das historische Gebäude dafür hätte leiden müssen.

Dort halten sich die Eingriffe in Grenzen. Die Treppe war bereits in der Vergangenheit an die dunkelste Stelle des Hauses verlegt worden, wird aber über ein Dachfenster mit Helligkeit versorgt. Nebenräume finden sich im Norden entlang der unbelichteten Haustrennwand. Wegen der beschränkten Platzverhältnisse ist das Bad als Nische des OG-Flurs ausgebildet und kann durch eine Schiebetür abgetrennt werden. Die gut belichteten Haupträume öffnen sich wie eh und je nach Süden und Osten. An den Fassaden betont ein monochromer grauer Anstrich die dezente Plastizität der glatten Fenstergewände und Eckpilaster, die gegenüber den rauen Putzflächen leicht vorstehen.

Der Umbau zeigt, welch großes Potenzial für attraktives, zeitgemäßes Wohnen in dem gut 150 Jahre alten Gebäudetyp »Kreuzreihenhaus« steckt. Bleibt die Frage, warum er sich nie richtig durchsetzen konnte. In seiner ursprünglichen Form erhielten je nach Orientierung zu den Himmelsrichtungen ein oder zwei Hausviertel relativ wenig Sonne. Doch dieser Nachteil ließe sich bei einer Neuinterpretation leicht vermeiden, indem man den oder die nördlichen Hausteile etwas höher plant, sodass auch sie in den Genuss von Südlicht kommen. Auf diese Weise könnte das Kreuzreihenhaus die Einfamilienhausdebatte entschärfen und dem verdichteten Flachbau neue Impulse geben …

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